Das 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin im Change Management: Eine strukturierte Reise durch Veränderungen
Veränderungen in Organisationen sind unausweichlich, aber wie sie gemanagt werden, kann den Erfolg maßgeblich beeinflussen. Das 3-Phasen-Modell von Kurt Lewin ist eines der bekanntesten Modelle im Change Management und bietet einen bewährten Rahmen für das Verständnis und die Gestaltung von Veränderungen. In diesem Artikel werden wir die einzelnen Phasen erkunden und anhand von Beispielen aus dem Change Management illustrieren, wie das Modell angewendet wird.
Zunächst ein wenig Hintergrund zur Theorie. Das 3-Phasen-Modell wurde ursprünglich nicht als Instrument für die Entwicklung einer Organisation entwickelt. Es entstand während einer wissenschaftlichen Untersuchung, bei der die Forschungsaufgabe war, die Bevölkerung auf eine andere Ernährungsgewohnheit umzustellen. Lewin beobachtete die Umstellung und leitete daraus das 3-Phasen-Modell ab, welches heute eines der berühmtesten Modelle im Change Management ist. Das Modell ist die Grundlage vieler weiterer Phasenmodelle, die in diesem Kontext genutzt werden.
Lewins 3-Phasen-Modell besteht, wie der Name schon sagt, aus insgesamt drei Phasen:
- Auftauen (unfreezing)
- Verändern (changing)
- Einfrieren (refreezing)
Alle drei Phasen werden in einem Change-Prozess durchlebt. Schauen wir uns die drei Phasen etwas genauer an.
1. Auftauen (unfreezing):
Stellen Sie sich eine Organisation vor, die den Übergang von einer traditionellen hierarchischen Struktur, zu einer agilen Teamstruktur anstrebt. In der ersten Phase, dem "Auftauen", liegt der Fokus darauf, bestehende Denkmuster und Strukturen aufzubrechen, um den Weg für Veränderungen zu ebnen. Dies beinhaltet die Sensibilisierung der Mitarbeitenden auf die Notwendigkeit der Veränderung und den Abbau von Widerständen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, Motivation zu fördern, indem die Diskrepanz zwischen dem aktuellen Zustand und dem angestrebten Ziel verdeutlicht wird.
In dieser Phase können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden, darunter Schulungen, Workshops und Kommunikationskampagnen, um den Mitarbeitenden den Hintergrund für die Veränderung näher zu bringen und mögliche Bedenken anzusprechen. Eine besonders hilfreiche Maßnahme ist die Erstellung eines Kontrakts, der identifizierte Probleme, Veränderungsbedarfe, definierte Ziele und die Vorgehensweise festhält. Dieser Kontrakt dient als Ausgangspunkt und Vorbereitung für den gesamten Veränderungsprozess.
Gleichzeitig ist es wichtig, in dieser Phase mit der Datenerhebung zu beginnen, um den aktuellen IST-Zustand zu dokumentieren und um den Fortschritt im Laufe der Zeit messbar zu machen. Die Diagnostik spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie nicht nur dazu beiträgt, objektive Daten zu sammeln, sondern auch Betroffenheit erzeugen und die Dringlichkeit der Veränderung verdeutlichen kann. Dieser ganzheitliche Ansatz legt den Grundstein für einen effektiven und strukturierten Veränderungsprozess.
In der Praxis können Befragungen der Mitarbeitenden helfen oder auch Metriken und Dashboards aus unterschiedlichen Softwareprogrammen. Hiermit kann man den Fortschritt der gesetzten Ziele kontinuierlich abgleichen.
Als externe BeraterInnen haben wir den Vorteil, dass wir mit einem unvoreingenommenen Blick auf die Situation schauen können. In dieser Phase haben wir den Fokus darauf, die Menschen und das System kennenzulernen und den tatsächlichen Ursprung des Verbesserungsbedarfes zu analysieren. Wir behalten phasenrelevante Punkte im Blick und implementieren die Veränderung Schritt für Schritt. Zusätzlich zu den identifizierten Verbesserungsbedarfen sollte der Blick auf das Positive und in Richtung Zukunft gerichtet werden. Hier kommt nun die Vision zum Einsatz, womit wir zur nächsten Phase "changing" kommen.
2. Verändern (changing):
In der Changing Phase werden Vision & Ziele definiert. Über den richtigen Zeitpunkt lässt sich streiten. Empfehlenswert ist es immer, frühzeitig externe Unterstützung hinzuzuziehen, sodass das Veränderungsvorhaben von Beginn an erfolgreich umgesetzt werden kann.
In dieser Phase erfolgen dann auch, wie der Name schon sagt, die eigentlichen Veränderungen. Neue Prozesse, Strukturen oder Technologien werden eingeführt, und die Mitarbeitenden sind aktiv in den Veränderungsprozess eingebunden. Interventionen basieren auf neuen Konzepten, Verhaltensweisen, Werten und Einstellungen und werden durch Eingriffe in Strukturen und Prozesse in der Organisation etabliert. Bevor konkrete Maßnahmen ergriffen werden, ist es entscheidend, ein hierarchieübergreifendes Commitment sicherzustellen. Dies wird erreicht, indem eine gemeinsame Vision und klare Ziele formuliert werden. Passende Maßnahmen und Implementierungsschritte werden konzipiert und transparent kommuniziert.
In dieser Phase werden traditionell Schulungen angeboten, Supportmechanismen eingeführt und Prozesse entsprechend angepasst. Die Mitarbeitenden erwerben neue Fähigkeiten und wenden diese an, um die Veränderungen zu integrieren. Hierbei ist es von Bedeutung, rechtzeitig zu kommunizieren und erste Erfolge zu würdigen. Die Ergebnisse können auf teamübergreifender Ebene gefeiert werden, beispielsweise indem erreichte Meilensteine besonders hervorgehoben werden. Als Führungskraft ist es ebenso wichtig, auf die Mitarbeitenden zuzugehen und direkte Anerkennung für ihre Bemühungen auszusprechen.
3. Einfrieren (refreezing):
In dieser abschließenden Phase erfolgt die Stabilisierung und Institutionalisierung der neuen Verhaltensweisen und Strukturen. Das Ziel besteht darin, sicherzustellen, dass die vorgenommenen Veränderungen nachhaltig in der Organisation verankert sind um nicht in alte Gewohnheiten zurückzufallen. Schlüsselfaktoren für die Stabilisierung umfassen die kritische Reflexion der Prozesse und Ergebnisse, die Dokumentation der Organisationsentwicklung, die Evaluierung von Prozessen und Maßnahmen sowie ein oft übersehener Aspekt: das Feiern von Erfolgen. 🥂
Als Beispiel könnten nach der Implementierung eines neuen Performance-Management-Systems regelmäßige Überprüfungen, Schulungen und Feedback-Schleifen eingeführt werden, um sicherzustellen, dass die neuen Prozesse ihre Effektivität beibehalten. Bei Bedarf werden Anpassungen vorgenommen, um kontinuierliche Verbesserungen zu fördern.
Da sich Organisationen immer weiter perfektionieren lassen, kann nach der Refreezing Phase wieder eine Unfreezing Phase folgen. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass alle positiven
Aspekte einer Veränderung beibehalten werden, während lediglich die verbesserungswürdigen Elemente erneut den Dreischritt durchlaufen. Um der Gefahr der "Change-Müdigkeit" vorzubeugen, ist es von
grundlegender Bedeutung, neben der Umstellung von Routinen auch bewusst bestimmte Routinen beizubehalten. Dies gewährleistet nicht nur Stabilität, sondern dient den Mitarbeitenden als
verlässlicher Anker, um eine sichere und vertraute Arbeitsumgebung aufrechtzuerhalten.
Das 3-Phasen-Modell von Lewin liefert uns wertvolle Grundlagen für das Verständnis von Veränderungsprozessen. In der heutigen dynamischen und komplexen Arbeitswelt genügt es jedoch nicht mehr, Change Management als ein einmaliges, statisches Projekt zu betrachten. Stattdessen braucht es eine Organisation, die sich kontinuierlich wandeln und anpassen kann – eine sogenannte "Change-able Organisation".
Dieser Ansatz erfordert nicht nur agilere Prozesse, sondern auch eine Kultur, die Veränderungen nicht als Ausnahme, sondern als Normalität begreift. Es gilt, Führungskräfte und Mitarbeitende zu befähigen, Unsicherheiten als Chancen zu sehen und Veränderungskompetenz in den Kern der Organisation zu integrieren. Nur so können Unternehmen langfristig erfolgreich und wettbewerbsfähig bleiben – unabhängig davon, welche Veränderungen die Zukunft bringt.
Bild von Gareth Baker auf Pixabay